Flusswärmepumpe als Alternative zur Geothermie

von | 05.10.2024

In einem früheren Energiegedanken wurden im Energiestammtisch bereits das Funktionsprinzip, die verschiedenen Arten und die Vor- und Nachteile von Wärmepumpen vorgestellt [1]. In diesem Artikel soll ein Konzept für eine Großwärmepumpe erarbeitet werden, das in ein Fernwärmenetz integriert werden kann und eine potenzielle Alternative zur Geothermie darstellt. Exemplarisch werden für die Auslegung der Wärmepumpe die Gegebenheiten in Tacherting betrachtet. Ein Fernwärmenetz bringt für sich schon einige Vorteile mit sich. Beispielsweise bräuchte jeder Haushalt nicht mehr eine eigene Heizungsanlage, sondern nur noch eine Wärmeübergabestation und die Wärme im Fernwärmenetz kann von größeren Anlagen erzeugt werden, die in der Regel deutlich effizienter sind als kleine Heizungsanlagen. Tacherting hat durch die Lage in unmittelbarer Nähe zur Alz den Vorteil, dass durch Wasserkraft ein Großteil des elektrischen Energiebedarfs der Haushalte gedeckt werden kann. Doch im Wasser steckt noch deutlich mehr Energie in Form von Wärme, die mithilfe einer Flusswärmepumpe genutzt werden könnte. Wie jeder an der eigenen Stromrechnung erkennen kann, ist der durchschnittliche pro Kopf Jahresenergiebedarf zum Heizen mit 8.817 kWh x (0,71 + 0,15 + 0,05) = 8.023 kWh deutlich höher als der elektrische Energiebedarf [2]. Deshalb wäre es sinnvoll, den Standortvorteil in Tacherting zu nutzen und hinsichtlich der Wärmeenergieversorgung unabhängiger von konventionellen Energieträgern zu werden. Die folgende Grafik zeigt den schematischen Aufbau einer Flusswärmepumpe und deren Integration in ein Fernwärmenetz.

Dimensionierung

Im folgenden Rechenbeispiel, das das Potenzial einer Flusswärmepumpe in Tacherting zeigen soll, wird angenommen, dass etwa 3.500 Einwohnerinnen und Einwohner in Alznähe wohnen bzw. eine gute Anschlussmöglichkeit an ein Fernwärmenetz haben. Die Wärmepumpe darf nicht für den durchschnittlichen Wärmeenergiebedarf ausgelegt werden, sondern muss auch an kalten Wintertagen genug Wärme bereitstellen. Um einen angemessenen Sicherheitsfaktor dafür zu bestimmen, wird die letzte Heizperiode ausgewertet. Der gesamte Gasverbrauch für Warmwasser und Heizung im Jahr 2023 betrug für ein Haus mit 331 m2 Wohnfläche 3.464 m3. Das entspricht einem monatlichen Durchschnittsverbrauch von 289 m3 Erdgas. Der Maximalverbrauch im Januar 2024 lag bei 668 m3, also 2,3-mal mehr als der Durchschnittsverbrauch. Deshalb sollte es genügen, die Wärmepumpe so zu dimensionieren, dass sie das 2,5-fache der jährlichen Durchschnittsleistung zur Deckung des Wärmebedarfs für 3.500 Einwohnerinnen und Einwohner bereitstellen kann. Die durchschnittliche erforderliche Wärmeleistung pro Person beträgt (8.023.000 Wh/Jahr) / (24 h/Tag x 365,25 Tage/Jahr) = 915,24 W. Mit dem errechneten Sicherheitsfaktor von 2,5 wird für 3.500 Personen eine Wärmeleistung von 915,24 W x 2,5 x 3.500 = 8,008 MW benötigt.

Das Geothermiekraftwerk in Bruck bei Garching a.d. Alz nutzt Wasser aus dem Alzkanal zur Kühlung und erwärmt das Wasser dabei um maximal 1 °C. Generell gibt es Vorschriften, wie stark Wasser aus Fließgewässern, das zur Kühlung von technischen Anlagen verwendet wird, erwärmt werden darf [3]. Deswegen wird angenommen, dass das Wasser durch die Flusswärmepumpe um maximal 1 °C abgekühlt werden darf, wenn es flussabwärts durch das Geothermiekraftwerk wieder erwärmt wird. Da das nachfolgende Ergebnis nicht „schön gerechnet“ werden soll, werden nur kritische Annahmen getroffen. Der Abfluss im Trostberger Alzkanal liegt zwischen 40 und 60 m3/s [4], also muss nachgewiesen werden, dass für die Flusswärmepumpe ein Volumenstrom von weniger als 40 m3/s genügt, um die erforderliche Wärmeleistung bereitstellen zu können. Ein Liter bzw. ein Kilogramm Wasser hat eine spezifische Energiedichte von 4.190 J/(kg x K) / 3.600 s/h = 1,164 Wh/(kg x K). D.h. einem Liter Wasser können 1,164 Wh Wärmeenergie entzogen werden, um diesen um 1 °C bzw. Kelvin abzukühlen. Da das Wasser im Alzkanal üblicherweise über 4 °C warm ist und dadurch auch nach dem Abkühlen durch die Flusswärmepumpe nicht gefriert, können Phasenübergänge im Wasserkreislauf vernachlässigt werden. Gesucht ist der Volumenstrom, der durch den Wärmetauscher fließen muss. Es wird von einem COP von 2,5 ausgegangen. Bei einem Leistungsbedarf von 8,008 MW müssen 8,008 MW / 2,5 = 3,203 MW als elektrische Energie bereitgestellt werden und die übrigen 4,805 MW Wärmeleistung werden aus dem Wasser gewonnen. Um dem Wasser 4,805 MW Wärmeleistung zu entziehen, wird ein Volumenstrom von 4.805.000 W / (1,164 Wh/(kg x K) x 1 K x 3.600 s/h = 1.147 kg/s = 1,15 m3/s benötigt. Da der erforderliche Volumenstrom von 1,15 m3/s deutlich unter dem minimal verfügbaren Potenzial von 40 m3/s liegt, wäre eine Umsetzung einer Flusswärmepumpe im Alzkanal aus energetischer Sicht problemlos machbar. Durch Wärmeverluste im Fernwärmenetz und andere Einflussfaktoren sollte die Anlage zwar noch etwas größer dimensioniert werden, aber die Größenordnung der Berechnung ist realistisch. Bei einem Volumenstrom von 1,15 m3/s würde der gesamte Alzkanal bei einem Volumenstrom von 40 m3/s nur um etwa (1,15 m3/s) / (40 m3/s) x 1 °C = 0,029 °C abgekühlt werden.

Vergleich der Dimensionierung mit realer Pilotanlage

Der Vergleich der Überschlagsrechnung mit einem Pilotprojekt in Mannheim [5] belegt, dass das Ergebnis der Dimensionierung der Flusswärmepumpe in Tacherting plausibel ist. Das Pilotprojekt in Mannheim ist dafür ausgelegt, 3.500 Haushalte (nicht Personen) mit Wärme zu versorgen. Da in einem Haushalt durchschnittlich zwei Personen leben [6], kann die Anlage also theoretisch 7.000 Personen mit Wärme versorgen. Das Pilotprojekt stellt 20 MW thermische Leistung mit einer elektrischen Leistung von 7 MW bereit und hat im Jahresmittel einen COP von 2,7. Der COP ist höher als die konservative Annahme von 2,5 in der Auslegung für die Flusswärmepumpe für Tacherting. Die thermische Leistung der Anlage ist etwas mehr als doppelt so groß wie die erforderliche Leistung für Tacherting i.H.v. 8,008 MW, was darauf schließen lässt, dass ein Sicherheitsfaktor von etwa 3 zur Auslegung verwendet wurde. Insgesamt ist das Ergebnis der Berechnung aber sehr nah am bereits realisierten Pilotprojekt am Rhein. In diesem wird das entnommene Wasser nicht nur um 1 °C, sondern um 2-5 °C abgekühlt. Im Winter ist das Wasser nur etwa 5 °C warm. Deshalb ist bei der Auswahl des Kältemittels wichtig, dass es bei 5 °C noch verdampfen kann. Baulich hat eine Flusswärmepumpe keinen Einfluss auf das Gewässer, da diesem nur ein kleiner Teil des Wassers entnommen und abgekühlt wieder zurückgeleitet wird. Da sich das Kältemittel der Wärmepumpe in einem geschlossenen Kreislauf befindet, kommt es auch nie mit dem Wasser des Flusses in Kontakt. Vorsorglich wurde in Mannheim trotzdem ein Kältemitteldetektionssystem integriert, das bei kleinsten Kältemittelkonzentrationen einen Alarm auslöst und die Anlage abschaltet [5].

Wirtschaftlichkeit

Auch wenn die technische Machbarkeit bereits durch diverse Pilotprojekte demonstriert wurde, kann noch nicht abgeschätzt werden, ob das Konzept „Flusswärmepumpe in Tacherting“ auch wirtschaftlich rentabel ist. Dafür werden die durchschnittlichen Energiepreise verschiedener Energieträger pro kWh mit dem Preis für den Betrieb der Flusswärmepumpe pro kWh verglichen.

TABELLE 1 – Heizkosten in Abhängigkeit des Energieträgers

EnergieträgerVerbrauch (kWh) pro m2 und Jahr zum Heizen [7]Verbrauch (kWh) pro m2 und Jahr zum Heizen und für die WarmwasserbereitungKosten pro m2 Wohnfläche (Euro) und Jahr [7]Kosten (Euro) bei durchschnittlicher Wohnfläche von 47,4 m2 [8] pro Jahr
Erdgas12815521,101.000,14
Heizöl13816820,00984,00
Fernwärme11714214,50687,30
Wärmepumpe384618,00853,20
Holzpellets11814315,00711,00
FlusswärmepumpeAnnahme: 12515233,7441.599,47
Flusswärmepumpe & Freiflächen PVAnnahme: 12515223,0891.094,41

Für den Energieverbrauch pro Quadratmeter und Jahr werden für die Flusswärmepumpe (128 kWh + 138 kWh + 117 kWh + 118 kWh) / 4 = 125 kWh angenommen. Obwohl der Verbrauchswert aufgrund der identischen Haustechnik zur Wärmeübergabe mit dem Verbrauchswert für Fernwärme i.H.v. 117 kWh pro m2 und Jahr übereinstimmen müsste, wird der Mittelwert aller Energieträger aus TABELLE 1 angenommen. Der Verbrauchswert für ein Gebäude, das mit einer Wärmepumpe beheizt wird, wird dabei aber nicht berücksichtigt, da hier grundsätzlich eine gute Wärmedämmung erforderlich ist, mit der sich der Energieverbrauch zum Heizen um knapp 1 – (38 kWh / 125 kWh) = 70 % reduzieren lässt. Da sich die Verbrauchswerte nur auf den Energieverbrauch zum Heizen beziehen, wird der Energieverbrauch, der die Warmwasserbereitung berücksichtigt,  in der nachfolgenden Rechnung berechnet. 70 % des Energieverbrauchs in Wohngebäuden werden zum Heizen aufgewendet und 15 % für die Warmwasserbereitung [9]. Für den Energieträger Erdgas ergibt sich damit ein kombinierter Energieverbrauch von (128 kWh / 0,7) x (0,7 + 0,15) = 155 kWh pro m2 und Jahr. Die Berechnung für die anderen Energieträger erfolgt analog. Um die Kosten pro m2 Wohnfläche und Jahr für die Flusswärmepumpe zu berechnen, wird zuerst der Preis pro kWh benötigt. Hierfür wird ein Strompreis von 0,35 €/kWh angenommen. Eine kWh Wärmeenergie kostet demnach (3,203 MW / 8,008 MW) x 0,35 €/kWh = 0,140 €/kWh, wenn der erforderliche Strom vollständig zugekauft wird. In diesem Preis sind die Anlagen-, Wartungs- und Instandhaltungskosten allerdings noch nicht enthalten. Die Investitionskosten für eine Flusswärmepumpe, die bisher nur in Pilotprojekten realisiert wurde, sind höher als bei einer Anlage, die bereits in Serie hergestellt wird und ausführlich erprobt wurde. In Mannheim wurden für die 20 MW Flusswärmepumpe 15 Millionen Euro investiert [5]. Da etwa die halbe Leistung inkl. Wärmeübertragungsverlusten für die Anlage im Rechenbeispiel ausreichen sollte, werden Investitionskosten i.H.v. 10 Millionen Euro angenommen, da die halbe Leistung nicht unbedingt die Anlagenkosten halbiert. Die Wartungs- und Instandhaltungskosten können leider nur geschätzt werden. Daher wird kritisch angenommen, dass diese über einen angestrebten Abschreibungszeitraum von 20 Jahren den halben Anlagenwert erreichen, also jährlich 250.000 € für Wartung und Instandhaltung ausgegeben werden müssen. In 20 Jahren erzeugt die Anlage 10.000 kW x 24 h/Tag x 365,25 Tage/Jahr x 20 Jahre = 1,753 TWh Wärmeenergie, wenn sie ununterbrochen mit voller Leistung arbeitet. Da sie aber für kalte Wintertage dimensioniert wurde, wird die volle Leistung im Sommer nie abgerufen. 10 MW thermische Leistung entspricht einem Sicherheitsfaktor von (10 MW x 2,5) / 8,008 MW = 3,122 bezogen auf den potenziellen Wärmebedarf in Tacherting. Also läuft die Anlage im Jahresdurchschnitt mit einer Leistung von 10 MW / 3,122 = 3,203 MW und erzeugt innerhalb von 20 Jahren 3.203 kW x 24 h/Tag x 365,25 Tage/Jahr x 20 Jahre = 562 GWh Wärmeenergie. Pro kWh würden die Anlagen-, Wartungs- und Instandhaltungskosten also (10.000.000 € + 5.000.000 €) / 562.000.000 kWh = 0,0267 €/kWh betragen und sich ein Arbeitspreis von 0,140 €/kWh + 0,0267 €/kWh = 0,1667 €/kWh ergeben. Wenn man davon ausgeht, dass bei Fernwärme der Arbeitspreis üblicherweise 75 % und der Grundpreis zur Wärmebereitstellung 25 % vom Gesamtpreis ausmacht, liegt der Gesamtpreis bei (0,1667 €/kWh / 75) x 100 = 0,222 €/kWh [10].

Vergleich der Wirtschaftlichkeit mit dem Fernwärmenetz in Kirchweidach

Kirchweidach stand vor ein paar Jahren ebenfalls vor der Herausforderung, dass noch kein Fernwärmenetz existierte, um Haushalte mit der Wärme, die durch die Geothermieanlage gefördert wird, zu versorgen. Die Gemeinde schaffte es von Anfang an, viele Bürgerinnen und Bürger für das Projekt zu motivieren und zu begeistern und erreichte innerhalb kürzester Zeit eine beeindruckende Anschlussquote. Durch die hohe Beteiligung am Ausbau des Fernwärmenetzes betrug die Anschlussgebühr abzüglich der Förderungen pro Haushalt nur einen Bruchteil der aktuellen Kosten [11]. Wer sich aktuell nachträglich an das Fernwärmenetz anschließen lassen will, muss dafür 8.925 € abzgl. eventueller Förderungen bezahlen. Der Arbeitspreis liegt bei 77,06 €/MWh zzgl. der Grundgebühr von 58,25 €/kW Anschlussleistung [12]. Die Mindestanschlussleistung beträgt 5 kW. Ein durchschnittlicher 2-Personen-Haushalt mit einem Jahresenergiebedarf zum Heizen und zur Warmwasserbereitung von 29.409 kWh x (0,71 + 0,15 + 0,05) = 17.124 kWh [2] müsste einen Grundpreis von 291,25 € und einen aufsummierten Arbeitspreis von 0,07706 €/kWh x 17.124 kWh = 1.319,60 €, also insgesamt 1.610,85 € pro Jahr für Wärme bezahlen. Der durchschnittliche Preis für Fernwärme beträgt 16 Cent/kWh. In diesem Preis ist bereits anteilig der Grundpreis für die Energiebereitstellung enthalten [10]. Mit dieser Betrachtungsweise liegen die Energiekosten für Wärme in Kirchweidach mit 1610,85 € / 17.124 kWh = 0,094 €/kWh also weit unter dem Durchschnitt. Als Backup-System für den Fall, dass beispielsweise das Geothermiekraftwerk gewartet werden muss, wird in Kirchweidach die Abwärme einer Biogasanlage oder ein Reservelast-Heizwerk verwendet [12]. Der Deckungsanteil aus Kraft-Wärme-Kopplung liegt nur bei 3,6 %. 96,2 % der Wärmeenergie werden aus erneuerbaren Ressourcen bezogen [13]. Im Fernwärmenetz ist mit einem Wärmeleistungsverlust von etwa 25 % zu rechnen [14]. Anzumerken ist allerdings, dass sich die Gegebenheiten in Kirchweidach nicht einfach auf andere Orte oder Gemeinden wie Tacherting übertragen lassen. In Kirchweidach ist ein so niedriger Durchschnittspreis nur durch die geschickte Symbiose der Wärmeversorgung der Gemeinde und einem Großverbraucher – dem Gemüseanbau in den beheizten Gewächshäusern – möglich. Auch die Höhe der Anschlussgebühr ist von vielen Faktoren, wie den energiepolitischen Entscheidungen der Gemeinde, der Höhe der Förderung oder dem Interesse der Bürgerinnen und Bürger abhängig. Dennoch sind der Tatendrang, die Umsetzungskraft und die Fähigkeit in der Gemeinde, so viele Einwohnerinnen und Einwohner für ein innovatives Konzept zur Energieversorgung zu motivieren, bemerkenswerte Eigenschaften, von denen man sich etwas abschauen kann.

Wirtschaftlichkeit mit kombinierter Freiflächen-PV-Anlage

Obwohl der Gesamtpreis mit anteiligem Grundpreis einer Flusswärmepumpe im Worst-Case-Szenario bei 22,2 Cent/kWh liegt und damit recht teuer ist, gibt es noch einige Stellschrauben, um den Arbeitspreis deutlich zu reduzieren. Beispielsweise könnte die Energieversorgung durch eine Freiflächen-PV-Anlage unterstützt werden. Wenn statt einer 10 MW Flusswärmepumpe eine 20 MW Flusswärmepumpe wie die in Mannheim für 15 Millionen Euro und zusätzlich eine 20 MW Freiflächen-PV-Anlage für 10 Millionen Euro mit vernachlässigbar kleinem Wartungs- und Instandhaltungsaufwand installiert wird, steigen die Anlagen-, Wartungs- und Instandhaltungskosten von 0,0267 €/kWh nur auf (15.000.000 € + 5.000.000 € + 10.000.000 €) / 562.000.000 kWh = 0,0534 €/kWh. In 20 Jahren erzeugt die Freiflächen-PV-Anlage mit Südausrichtung und 40 Grad Neigung 24412,6 MWh x 20 = 488,25 GWh [15]. Zum Betrieb der Flusswärmepumpe sind in 20 Jahren im Vergleich nur 562 GWh / 2,5 = 224,8 GWh erforderlich, also etwa die Hälfte der Erzeugung durch die PV-Anlage. Da die meiste Energie im Winter benötigt wird, wenn die Freiflächen-PV-Anlage den niedrigsten Ertrag liefert, wird die konservative Annahme getroffen, dass die PV-Anlage 60 % der Energiekosten einsparen kann. Folglich ergibt sich ein Gesamtpreis von (0,140 €/kWh x 0,6 + 0,0534 €/kWh) x (100 / 75) = 0,1832 €/kWh, der dem deutschlandweiten Durchschnittspreis von Fernwärme i.H.v. 16 Cent/kWh schon sehr nahekommt. Werden die überschüssigen 488,25 GWh – 224,8 GWh = 263,45 GWh beispielsweise mit 5 Cent/kWh vergütet oder gewinnbringend am Strommarkt verkauft, ließen sich dadurch in 20 Jahren 263,45 GWh x 0,05 €/kWh = 13.172.500 € erwirtschaften. Wird dieser Ertrag berücksichtigt, ergibt sich ein Gesamtpreis für die Wärmeenergie von (0,140 €/kWh x 0,6 + 0,0299 €/kWh) x (100 / 75) = 0,1519 €/kWh. Da sich Wärme leichter zwischenspeichern lässt als Elektrizität, könnte in so einem Konzept ein Latentwärmespeicher sinnvoll eingesetzt werden. Durch die Überdimensionierung der Flusswärmepumpe ließe sich der Puffer mit Wärmeenergie füllen, wenn ein Überschuss an Wind- oder Sonnenenergie vorhanden ist und damit gleichzeitig das Stromnetz stabilisieren. Wenn die Energie teuer eingekauft werden müsste, könnte die zwischengespeicherte Wärmeenergie genutzt werden, um Haushalte zu beheizen und die Flusswärmepumpe müsste nicht unter voller Last laufen.

Erkenntnisse aus dem Dialog mit lokalen Akteuren

Während der Recherche für diesen Energiegedanken wurden neben der Gemeinde Kirchweidach der Fischerverein Trostberg e.V., die Alzkraftwerke Heider GmbH und die EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG kontaktiert, um Einschätzungen bezüglich Umweltauswirkungen, der generellen Machbarkeit und Erfahrungen bei der Projektrealisierung zu sammeln. Der Fischerverein Trostberg e.V. zeigte sich interessiert an dem Konzept, da sich eine Abkühlung der Gewässer im Sommer wie auch im Winter positiv auf die Umwelt auswirken könnte. Es sollte sichergestellt werden, dass eine Flusswärmepumpe nur an unnatürlichen Gewässern, wie dem Alzkanal installiert wird und Jungfische nicht in den Wärmetauscher im Wasserkreislauf gelangen und verletzt werden [16]. Die Alzkraftwerke Heider GmbH zeigte sich ebenfalls interessiert und offen gegenüber einer Flusswärmepumpe. Allerdings müssten viele Details, wie der Standort des Wasserentnahme- und Rückführungsbauwerks und die Energieversorgung der Flusswärmepumpe geklärt werden. Eine direkte Energieversorgung durch das Wasserkraftwerk wäre theoretisch möglich, ist aber mit einem sehr hohen administrativen Aufwand verbunden, sodass eine Ausnahme geprüft werden müsste [17]. Die EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG hat bereits ein Projekt im Zusammenhang mit einer Großwärmepumpe umgesetzt und einige Informationen bereitgestellt [18]. Beispielsweise entscheiden sich Gemeinden in Neubaugebieten oft für einen Anschlusszwang ans Fernwärmenetz und im Fernwärmenetz in Bundorf werden als Backup zur Großwärmepumpe mit Pufferspeicher eine Hackschnitzelheizung und in letzter Instanz ein Elektrokessel eingesetzt. Durch die redundante Erzeugungsstruktur kommt es im Normalfall zu keinen Ausfällen der Wärmebereitstellung im Fernwärmenetz [19].

Energietipp

In Gemeinden, die in der Nähe von Flüssen liegen, kann eine Flusswärmepumpe eine effiziente und umweltfreundliche Alternative zur traditionellen Heiztechnik und zu Geothermiekraftwerken darstellen. Durch die Nutzung der im Flusswasser enthaltenen Wärmeenergie kann eine Flusswärmepumpe große Mengen an Wärmeenergie bereitstellen, die über ein Fernwärmenetz an Haushalte verteilt werden kann. Dies reduziert nicht nur den Bedarf an fossilen Brennstoffen, sondern auch die Abhängigkeit von konventionellen Energiequellen.

Quellen

[1] Andreas Blum, “Kernkraft für zu Hause: Die Wärmepumpe” , https://www.energie-tacherting.de/kernkraft-fuer-zu-hause-die-waermepumpe/, 26.04.2024, Zugriff: 02.09.2024
[2] Destatis, “Alleinlebende verbrauchen 38 % mehr Wohnenergie als der Pro-Kopf-Durchschnitt aller Haushalte”, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2022/PD22_09_p002.html, 01.03.2022, Zugriff: 02.09.2024
[3] Deutsche Welle, “Wie kühlen heiße Länder ihre Kernkraftwerke?”, https://www.dw.com/de/wie-k%C3%BChlen-hei%C3%9Fe-l%C3%A4nder-ihre-kernkraftwerke/a-49758541, 27.07.2019, Zugriff: 02.09.2024
[4] Hochwassernachrichtendienst Bayern, “Abfluss Trostber / Alzkanal”, https://www.hnd.bayern.de/pegel/inn/trostberg-18409009/abfluss, Zugriff: 02.09.2024
[5] MVV Energie AG, “R(h)ein mit der Wärme – MVV nimmt erste Flusswärmepumpe in Mannheim in Betrieb”, https://www.mvv.de/ueber-uns/unternehmensgruppe/mvv-umwelt/aktuelle-projekte/mvv-flusswaermepumpe, Zugriff: 02.09.2024
[6] Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, “Zahl der Privathaushalte und durchschnittliche Haushaltsgröße in Deutschland (1871-2022)”, https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/L49-Privathaushalte-Haushaltsgroesse-ab-1871.html, Zugriff: 02.09.2024
[7] heizspiegel, “Heizkosten pro m²: Fernwärme und Zentralheizung (mit Rechner)”, https://www.heizspiegel.de/heizkosten-pruefen/heizkosten-pro-m2-vergleich/, Zugriff: 02.09.2024
[8] Umweltbundesamt, “Wohnfläche”, https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#zahl-der-wohnungen-gestiegen, 17.11.2023, Zugriff: 02.09.2024
[9] Destatis, “Energieverbrauch privater Haushalte für Wohnen im Jahr 2020 um 0,9 % gesunken”, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/12/PD22_542_85.html, 16.12.2022, Zugriff: 02.09.2024
[10] verbraucherzentrale, “Fernwärme: Kosten sparen und gleichzeitig das Klima schonen”, https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/heizen-und-warmwasser/fernwaerme-kosten-sparen-und-gleichzeitig-das-klima-schonen-34038, 06.03.2024, Zugriff: 02.09.2024
[11] Gemeinderat Kirchweidach, Experteninterview, 23.08.2024
[12] Gemeinde Kirchweidach, “Anlage 2 – Gemeinde Kirchweidach Preisbedingungen und Preisblatt 01.01.2024”, https://kirchweidach.de/kirchweidach/fernwaerme, 01.01.2024, Zugriff: 02.09.2024
[13] Gemeinde Kirchweidach, “Anlage 7 – Wärmenetz Kirchweidach – Bescheinigung FW309-1 – Plandaten Basis 2022”, https://kirchweidach.de/kirchweidach/fernwaerme, 05.04.2023, Zugriff: 02.09.2024
[14] Robert Moser – Erster Bürgermeister der Gemeinde Kirchweidach, Experteninterview, 05.10.2024
[15] Solarthemen Media GmbH, “PV-Ertrag online berechnen”, https://www.solarserver.de/pv-anlage-online-berechnen/, Zugriff: 02.09.2024
[16] Fischerverein Trostberg e.V., Experteninterview, 05.09.2024
[17] Alzkraftwerke Heider GmbH, Experteninterview, 03.09.2024
[18] EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG, “Fernwärme in Bundorf: Mehr erfahren!”, https://www.buergersolarpark-bundorf.de/fernwaerme/, Zugriff: 24.09.2024
[19] EnergieGenossenschaft Inn-Salzach eG, Experteninterview, 05.09.2024

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